Wie schütze ich mein Produktdesign vor Design-Trollen?

13. März 2012 | Von | Kategorie: Ratgeber
links GGM 000162847-0003 vom 15.04.2004, rechts GM DE 402010004751-0002 vom 08.09.2010

links HABM GGM 000162847-0003 vom 15.04.2004; rechts DPMA GM 402010004751-0002 vom 08.09.2010

von Rechtsanwalt Michael Plüschke, Berlin

Was ist ein Design-Troll? Der Autor hat den Begriff wegen der vergleichbaren Fallkonstellation zum bekannten Patent-Troll im Bereich der technischen Erfindungen gewählt. Wie der Patent-Troll das Patent so erwirbt der Design-Troll das Geschmacksmuster meist mit unlauteren Absichten, um es als Druck- oder Sperrmittel gegen andere einsetzen zu können.

Ein Beispiel ist das links oben dargestellte Geschmacksmuster des italienischen Möbelherstellers Presotto. Es wurde ursprünglich am 15. April 2004 als europäisches Gemeinschaftsgeschmacksmuster GGM 000162847-0003 eingetragen.

Design: PRESOTTO INDUSTRIE MOBILI S.p.A. ; Quelle: www.contemporist.com

Design: PRESOTTO INDUSTRIE MOBILI S.p.A. ; Quelle: www.contemporist.com

Bei einer Geschmacksmusterrecherche ist feststellbar, dass sechs Jahre später am 8. Oktober 2010 dasselbe Bett von einer Person aus Berlin als deutsches  Geschmacksmuster DE 40 2010 004 751-0002 angemeldet und eingetragen wurde. Vielleicht ein Zufall? Wohl kaum. Denn die Anmeldung von 2010 verwendet ein identisches älteres Produktfoto von Presotto. Das Foto wurde lediglich gespiegelt und rechts unten mit einem Logo gebrandet (Das Logo ist nur auf dem Foto im verlinkten Geschmacksmusterregister, nicht hier bei DESIGNSCHUTZnews erkennbar).

Ein weiteres Beispiel ist das unten dargestellte zugunsten der Firma Kasper-Wohndesign-Outlet GmbH aus Landau am 22.02.2010 eingetragene europäische Gemeinschaftsgeschmacksmuster GGM 001197248-0002. Dasselbe Bett wurde 9 Monate später noch einmal zugunsten der Firma Eurasia Design Industrial Ltd. mit Niederlassung in Berlin als deutsches Geschmacksmuster DE 40 2010 006 276-0003 eingetragen. Die Person des Entwerfers wurde in beiden Anmeldungen nicht benannt und eine wirksame Anmeldung ist bis zu 12 Monaten nach der ersten Offenbarung möglich. (Anmerkung vom 05.04.2012: DESIGNSCHUTZnews wurde darauf hingewiesen, dass Produzent des Bettes die Firma Aonidisi Home Furniture Manufactory mit Sitz in Guangdong, China, ist. Die Firma betreibt nach eigenen Angaben die größte Möbelfabrik Chinas.)

oben: Kasper-Wohndesign-Outlet GmbH, HABM GGM 001197248-0002 vom 22.02.2010; unten: Eurasia Design Industrial Ltd., Quelle: DPMA GM 402010006276-0003 vom 20.11.2010

oben: Kasper-Wohndesign-Outlet GmbH, HABM GGM 001197248-0002 vom 22.02.2010; unten: Eurasia Design Industrial Ltd., Quelle: DPMA GM 402010006276-0003 vom 20.11.2010

Trendsport Geschmacksmusterklau

Ähnliche Beispiele lassen sich für Fahrzeug-Tuningteile, Grabsteine, Schmuck und andere Designprodukte finden. Es scheint fast ein Trendsport zu sein, auf Messen in Asien Fotos zu fertigen und diese dann in Europa zur Anmeldung von Geschmacksmustern zu verwenden. Teilweise werden die Produktfotos sogar per Email frei Haus geliefert, wenn der asiatische Produzent das Foto vom Prototyp nicht nur dem Auftraggeber und Entwerfer übermittelt, sondern auch seinen sonstigen Abnehmern weltweit.

Warum trägt das Amt ältere Geschmacksmuster noch einmal ein?

Der interessierte Leser fragt sich: Warum werden mehrfache Anmeldungen desselben Designs vom Musteramt überhaupt eingetragen? Die Antwort ist einfach: Das Amt weiß nichts davon. Geschmacksmuster sind wie das Gebrauchsmuster ungeprüfte Schutzrechte. Im Interesse der schnellen und kostengünstigen Eintragung werden vom Amt nur die Formalien, nicht dagegen etwaige Kollisionen geprüft. Nur so kann die niedrige Anmeldegebühr von 60 Euro für bis zu 10 verschiedene Designs in einer Sammelanmeldung vom Deutschen Patent- und Markenamt sichergestellt werden; ein klarer Standortvorteil für deutsche Entwerfer. Denn mit der Erstveröffentlichung des deutschen Geschmacksmusters entsteht zugleich ein in der gesamten Europäischen Union geltendes nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster.

Welche Gefahren drohen dem Produktdesigner durch Design-Trolle?

Solange die erste Geschmacksmusteranmeldung vom Entwerfer der Designs stammt oder mit dessen Zustimmung von seinem Lizenznehmer beantragt wurde, sind Design-Trolle relativ ungefährlich. Denn mit den Registerdaten kann der Entwerfer das später unberechtigt eingetragene Geschmacksmuster für nichtig erklären lassen.

Wenn der Entwerfer jedoch kein Geschmacksmuster angemeldet hat oder erst zeitlich nach dem Design-Troll, gilt zunächst die gesetzliche Vermutung der Rechteinhaberschaft zugunsten der Erstanmeldung; auch zugunsten des unberechtigten Anmelders. Der Entwerfer ist dann verpflichtet zu beweisen, dass nicht der Design-Troll, sondern er selbst der Berechtigte ist. Das kann im Einzelfall sehr schwer sein. Denn nicht jeder präsentiert seine Entwürfe zunächst vor der Presse oder auf Messen mit Produktkatalogen. Das genaue Datum einer Erstveröffentlichung im Internet lässt sich meist schon nach wenigen Monaten nicht mehr gerichtssicher nachweisen. Der zur Beweissicherung beim Notar hinterlegte Entwurf ist letztlich nicht wesentlich preiswerter als eine Geschmacksmusteranmeldung; gewährt aber nicht die Rechte eines Geschmacksmusters.

Welche Gefahren drohen dem Händler nicht eingetragener Design-Produkte?

Gefahr droht vor allem Händlern von Designprodukten auf online-Marktplätzen wie Amazon, eBay & Co. Dort kann der Design-Troll mit seinem unberechtigt eingetragenen Geschmacksmuster die Sperrung des unliebsamen Händlers verlangen: Er legt sein Geschmacksmuster beim Plattformbetreiber vor und behauptet, Händler Redlich verkaufe ein vom Geschmacksmusterinhaber nicht genehmigtes Plagiat. Darauf sperren Amazon, eBay & Co. das Verkaufsangebot. Denn die Plattformbetreiber kennen die Hintergründe nicht und halten sich an die vorgelegten Geschmacksmusterurkunden. Händler Redlich wird beim online-Marktplatz in seinem Status herabgestuft und bleibt auf seinen Warenvorräten sitzen.

Wenn es der Design-Troll übertreibt, droht zusätzlich eine teure Abmahnung mit Schadenersatzforderungen. Hier bewegt sich der Design-Troll allerdings im strafrechtlich relevanten Bereich. Die fehlende Berechtigung auf das Geschmacksmuster müsste ihm jedoch nachgewiesen werden.

Wie wird der Design-Troll bezwungen?

Entweder Händler  und Lieferant gehen gemeinsam gegen den Design-Troll vor; der Händler wegen unlauterer Behinderung im Wettbewerb und der Entwerfer/Lieferant gegen das unberechtigt für den Design-Troll eingetragene Geschmacksmuster. Die Erfolgsaussichten vor Gericht richten sich nach der Beweislage.

Oder Händler Redlich zeigt seinem Lieferanten die rote Karte und bestellt in Zukunft beim Design-Troll. Denn auch Händler Redlich weiß wie der online-Plattformbetreiber normalerweise nicht, wer der Berechtigte und wer Design-Troll ist.

Im Ergebnis steht der Entwerfer ohne Abnehmer und Einnahmen dar, sieht sich möglicherweise sogar Regressforderungen seiner Händler ausgesetzt und muss beim Design-Troll die Löschung oder Übertragung des Geschmacksmusters einklagen. Das Prozesskostenrisiko für den Fall des Unterliegens beträgt schnell 10.000 EUR und mehr. Am Ende bekommt er vielleicht recht, doch der Modetrend hat gewechselt und das Produkt ist inzwischen veraltet.

Fazit: Einen wirksamen Schutz gegen Design-Trolle bieten nur die gerichtsfeste Dokumentation der eigenen Entwurfsarbeit oder die Anmeldung eines Geschmacksmusters vor der ersten Veröffentlichung. Da auch die Beweissicherung mit Aufwand und Kosten verbunden ist, relativieren sich die 6 Euro Anmeldekosten pro Design in einer Sammelanmeldung von mindestens 10 verschiedenen Designs beim Deutschen Patent- und Markenamt schnell. Und nur durch die Eintragung kann der Anmelder alle Rechte aus dem Geschmacksmuster gerichtsfest in Anspruch nehmen und erlangt mit dem deutschen Geschmacksmuster zugleich ein europaweit gültiges nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Zugleich schafft der Entwerfer mit der Geschmacksmusterurkunde Vertrauen bei seinen Abnehmern und kann seinen Abnehmern im Streitfall helfen. Vor der ersten Anmeldung sollte zur Vermeidung typischer Anfängerfehler Rechtsrat eingeholt werden.

Autor: Rechtsanwalt Michael Plüschke, Berlin

Update vom 01.01.2014: Am 01.01.2014 ist in Deutschland das bisherige Geschmacksmustergesetz durch das Designgesetz abgelöst worden. Das Geschmacksmuster heißt seit dem in Deutschland „eingetragenes Design“; siehe hierzu DESIGNSCHUTZnews vom 01.01.2014.

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