Spielzeugdesign: Kein Urheberschutz für „Seilzirkus“-Spielplätze

15. November 2011 | Von | Kategorie: News
"Seilzirkus"; Quelle: BGH Urteil vom 12.05.2011

"Seilzirkus"; Quelle: BGH Urteil vom 12.05.2011

Die Raumnetze des 1934 in München geborenen Architekten Conrad Roland stehen an vielen Plätzen der Welt; meist als „Seilzirkus“ bezeichnet auf Spielplätzen.
Andere Anwendungsmöglichkeiten sind mehrstöckige Sonnenterrassen, Rankgitter, Sommerhäuser, Strand- und Ausstellungspavillons oder Rahmenstrukturen für Ausstellungs- und Verkaufsflächen, Sitz- und Liegeflächen sowie für Arbeitsgerüste.

Roland war während seiner Studienjahre von 1959 bis 1961 Mitarbeiter im Büro Mies van der Rohe in Chicago. Für die Bundesgartenschau 1987 konstruierte er das bis heute größte Raumnetz der Welt, den Super-Viermast-Seilzirkus in Düsseldorf.

Super-Viermast-Seilzirkus, Düsseldorf; © 1987: COROCORD Raumnetz GmbH

Super-Viermast-Seilzirkus, Düsseldorf; © 1987: COROCORD Raumnetz GmbH

Wo Erfolg ist, sind Nachahmer nicht weit. Aus Mangel an anderen Schutzrechten berief sich die von Conrad Roland gegründete Firma COROCORD Raumnetz GmbH aus Berlin bei ihrer Klage gegen den Nachahmer des einmastigen „Seilzirkus“ auf das Urheberrecht des Architekten.

In seiner jetzt veröffentlichten Begründung des Urteils vom 12. Mai 2011 stellt der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch fest, dass der nachgeahmte einmastige „Seilzirkus“ nicht urheberschutzfähig ist. Es bestätigt damit die gleichlautende Entscheidung des Berliner Kammergerichts als Vorinstanz aus dem Jahre 2010.

Interessant ist die Entscheidung für alle Designgegenstände der angewandten Kunst. Denn die Firma COROCORD versuchte auszuloten, ob der BGH mit Inkrafttreten des neuen Geschmacksmusterrechts von 2004 eine Neujustierung des Urheberrechts im Bereich der angewandten Kunst vornimmt. Denn die traditionelle Rechtsprechung verlangt von Werken der angewandten Kunst eine über dem handwerklich Durchschnittlichen liegende Schöpfungshöhe, wogegen bei zweckfreier Kunst praktisch jedes geistige Schaffen vom Urheberrecht geschützt wird.

Doch der BGH ließ das Verhältnis zwischen Urheberrecht und neuem Geschmacksmusterrecht ausdrücklich offen. Er führte hierzu aus:

Nur solche Merkmale eines Gebrauchsgegenstandes können Urheberrechtsschutz begründen, die nicht allein technisch bedingt, sondern auch künstlerisch gestaltet sind.

Maßgebend ist allein, ob der ästhetische Gehalt als solcher ausreicht, um von einer künstlerischen Leistung zu sprechen.

Im Weiteren stimmt der BGH den Ausführungen des Kammergericht zu:

Die von der Klägerin gewählten Gestaltungsmerkmale seien zwar nicht technisch notwendig, aber technisch bedingt, weil die Netze der Klägerin ohne sie ihrer Zweckbestimmung als Klettergeräte nicht dienen könnten. Werde ein Gerät – wie hier – als Netz aus Mast und Seilen konstruiert, seien diese Teile essentieller Bestandteil der technischen Konstruktion. Die Entscheidungen über das Ausmaß und die Proportionen des Netzes, die Dichtheit des Innennetzes, die Zahl und Stärke der Seile und die Form der Verbindungsglieder seien in erster Linie dem Zweck des Geräts geschuldet und technisch bedingt. Dabei verwirkliche sich allein der technische Gestaltungsspielraum. Allein durch die Ausnutzung eines handwerklich-konstruktiven Gestaltungsspielraums oder durch den Austausch eines technischen Merkmals durch ein anderes entstehe noch kein eigenschöpferisches Kunstwerk.

Und kommt letztlich zu dem Ergebnis:

Da sich die Frage der Anforderungen an die Gestaltungshöhe von Werken der angewandten Kunst im Streitfall nicht stellt, kann offenbleiben, ob diese Einwände durchgreifen. Selbst wenn bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes zu stellen wären als bei Werken der zweckfreien Kunst, wäre bei der Beurteilung der Gestaltungshöhe eines Werkes der angewandten Kunst, das einem Gebrauchszweck dient, zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet und technisch bedingt ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht. Das kann dazu führen, dass ein Werk der angewandten Kunst, das eine ebenso große ästhetische Wirkung ausübt wie ein Werk der zweckfreien Kunst, anders als dieses keinen Urheberrechtsschutz genießt.

Fazit: Bei rechtzeitiger Anmeldung eines Geschmacksmusters, wäre Conrad Roland und seiner Firma eine rechtliche Diskussion über die Gestaltungshöhe erspart geblieben. Denn durch das Geschmacksmusterrecht wird auch rein handwerkliches ästhetisches Schaffen geschützt. Wegen des von der Funktion vorgegebenen engen Gestaltungsspielraums wäre der Schutz dann jedoch möglicherweise auf identische Nachahmungen beschränkt.

(Quelle: BGH, Urteil vom 12. Mai 2011, I ZR 53/10 – Seilzirkus)

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