Kammergericht: Kein Neuheitseinwand im designrechtlichen Verfügungsverfahren

7. Januar 2016 | Von | Kategorie: News
Neuheitseinwand Designrecht Kammergericht Urteil 16.12.2015, Az.: 24 U 121/15 Verfügungsverfahren

Kein Neuheitseinwand im designrechtlichen Verfügungsverfahren

Seit Inkrafttreten des neuen Designgesetzes am 01.01.2014 ist umstritten, ob im designrechtlichen Verfügungsverfahren der Einwand der fehlenden Neuheit zulässig ist oder nicht.
Mit Urteil des Kammergerichts vom 16.12.2015 wurde diese Frage nun erstmals durch ein Oberlandesgericht entschieden und mit Nein beantwortet.

Der Verfügungsbeklagte kann sich somit nicht mehr allein auf die fehlende Neuheit des zugunsten des Verfügungsklägers im amtlichen Designregister eingegetragenen Designs berufen. Er muss zusätzlich auch einen Nichtigkeitsantrag beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) stellen.

Designschutz ist Neuheitsschutz

Designschutz wird durch das Designgesetz nur für zum Zeitpunkt der Anmeldung neue Designs gewährt.  Deshalb bleibt dem Anbieter von Plagiaten zur Rechtsverteidigung meist nur die Möglichkeit, die fehlende Neuheit zum Zeitpunkt der Anmeldung nachzuweisen.

Im vom Kammergericht entschiedenen Fall verkaufte der Beklagte Designerbetten, deren Design der Kläger im Jahre 2010 im amtlichen Designregister eintragen ließ. Der Beklagte behauptete, sein chinesischer Lieferant habe dieses Bettendesign bereits im Jahre 2009 vertrieben. Er legte hierzu eidesstattliche Versicherungen und einen angeblich aus dem Jahre 2009 stammenden Katalog des Lieferanten vor.

Der Vortrag enthielt jedoch einige Unstimmigkeiten. Das Landgericht Berlin hielt es dennoch für „nicht mehr überwiegend wahrscheinlich“, dass das Design zum Zeitpunkt der Anmeldung in Deutschland neu war und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten zurück.

Der Kläger ging vor dem Kammergericht in Berufung und berief sich auf die gesetzliche Vermutung der Rechtsgültigkeit seiner Eintragung, die durch bloße Wahrscheinlichkeitserwägungen nicht widerlegt sei. Ferner beanstandete er, dass der Beklagte keinen Nichtkeitsantrag gestellt habe.

Nach dem alten Geschmacksmustergesetz musste – wie vom Beklagten im entschiedenen Fall – lediglich eingewandt werden, dass das Design zum Zeitpunkt seiner Anmeldung nicht neu war. Seit Einführung des neuen Designgesetzes am 01. Januar 2014 kann die fehlende Neuheit jedoch nur noch im Wege der Widerklage in einem regulären Klageverfahren (nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren) oder durch Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geltend gemacht werden. Den Antrag vor dem DPMA kann Jedermann stellen.

Das Landgericht Berlin war als Vorinstanz der Auffassung, dass diese Regeln nicht im Verfügungsverfahren gelten, weil eine Entscheidung des DPMA im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht abgewartet werden könne. Dies ergäbe sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

Anders das Kammergericht: Es hielt den Wortlaut des neuen Designgesetzes für eindeutig und die neuen Nichtkeitkeitsregeln auch im Verfügungsverfahren anwendbar. Denn das neue Designgesetz verlange keine Entscheidung des DPMA. Es genüge der bloße Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit. Erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung beim DPMA ist der Einwand der fehlenden Neuheit im Verfügungsverfahren zulässig.

Da der Beklagte bis zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz einen solchen Antrag nicht gestellt hatte, war sein Einwand der fehlenden Neuheit nicht zulässig und sein Vortrag im Rahmen der Entscheidung nicht zu berücksichtigen. Seit der außergerichtlichen Abmahnung des Beklagte war mittlerweile ein Jahr verstrichen; genügend Zeit, einen Nichtigkeitsantrag beim DPMA einzureichen.

Für den Nichtigkeitsantrag beim DPMA sind amtliche Gebühren von 300 Euro zu zahlen.

Auswirkungen auf das Designregister

Auch das vom Kammergericht angeführte öffentliche Interesse an der Bereinigung des Registers von Designeintragungen ohne Rechtgültigkeit ist nicht hoch genug zu werten. Denn bislang blieben Designeintragungen im Register auch dann eingetragen, wenn im Verfügungsverfahren die fehlende Rechtsgültigkeit festgestellt wurde und der Antragsgegner die Abschlusserklärung abgegeben hatte. Da die Mehrzahl der Designstreitigkeiten im Verfügungsverfahren erledigt wird, enthält das Designregister zahlreiche Eintragungen, bei denen die Gerichte deren fehlende Rechtsgültigeit teilweise mehrfach festgestellt haben. Denn obsiegende Antragsgegner im Verfügungsverfahren, oft Händler und nicht die Hersteller, haben in der Regel kein wirtschaftliches Interesse an einem Kosten auslösenden und Ressourcen bindenden Nichtigkeitsverfahren. Für Händler ist es wirtschaftlich sinnvoller, ein Designrechte verletzendes Produkt durch ein anderes Produkt zu ersetzen.

Auf diese Weise ist das Designregister voll mit nicht rechtsgültig eingetragenen Designs. Bei einer Recherche im Designregister lassen sich gerade im Bereich des Möbeldesigns viele mehrfache Eintragungen mit teilweise identischen Katalog- oder Messefotos finden. Woher diese stammen und ob die im Register eingetragenen Inhaber zur Anmeldung berechtigt waren, dazu mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen. DESIGNSCHUTZnews hat das Thema am 13.03.2012 im nachfolgend verlinkten Beitrag zum Thema „Schutz vor Designtrollen“ behandelt.

Weil nun vom Kammergericht zwingend die Stellung eines Nichtigkeitsantrages beim DPMA für die Zulässigkeit des Einwandes der fehlenden Neuheit im Verfügungsverfahren gefordert wird, sollte die Bereinigung des Designregisters in Zukunft deutlich effektiver werden.

(Quelle: Kammergericht, Urteil vom 16.12.2015, Az.: 24 U 121/15; Vorinstanz: LG Berlin, Urteil vom 28.04.2015, Az.: 16 O 21/15)

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