EuGH: Zur Neuheit eines Werbeartikels im Geschmacksmusterrecht gegenüber vorbekannten ähnlichen Artikeln

3. November 2011 | Von | Kategorie: News
links: älteres SYMBICORT-Design; rechts: jüngeres SPHERE TIME-Design; Quelle: EuGH, Urteil vom 14.6.2011

links: älteres SYMBICORT-Design; rechts: jüngeres SPHERE TIME-Design; Quelle: EuGH, Urteil vom 14.6.2011

Gerade bei Werbeartikeln sind die Unterschiede zu bereits bekannten Waren meist sehr gering. Deshalb geht es in einem Rechtsstreit um die Gültigkeit eines Geschmacksmusters solcher Erzeugnisse oft um die Frage, ob das Geschmacksmuster zum Zeitpunkt seiner Anmeldung neu war und Eigenart gegenüber älteren Designs besaß.

Einen solchen Fall hat am 14. Juni 2011 der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden. Ein im Urteil nicht genannter Beteiligter beantragte im Jahre 2007 die Löschung des im Jahre 2004 angemeldeten Geschmacksmusters der Firma SPHERE TIME S.A., Luxemburg. Das Geschmacksmuster zeigt eine Uhr an einem Schlüsselband; ein typischer Werbeartikel.

Begründet wurde der Löschungsantrag damit, das im SPHERE TIME-Geschmacksmuster abgebildete Uhren-Design sei bereits vor dem Anmeldedatum des Geschmacksmuster unter der Marke SYMBICORT innerhalb der Europäischen Union bekannt gewesen. Zum Nachweis legt es einen Katalog der Fuzhou Eagle Electronic Co. Ltd sowie eine Versandrechnung an einen Niederländischen Kunden über eine Lieferung von 2.000 Stück der Uhren ebenfalls im Jahre 2004 zeitlich jedoch vor der Geschmacksmusteranmeldung vor.

Im Jahre 2009 erklärte die Beschwerdekammer des Musteramtes der Europäischen Union (HABM) das SPHERE TIME-Geschmacksmuster in zweiter Instanz für nichtig. Gegen diese Entscheidung klagte SPHERE TIME vor dem EuGH.

Als erstes stellte das Gericht in seiner Entscheidung vom 14. Juni 2011 fest, dass die Versandrechnungen in Verbindung mit dem Katalog als Nachweis für das frühere Bekanntmachen innerhalb der Europäischen Union ausreichend seien.

Im zweiten Schritt befasste sich das Gericht mit der Frage, ob das jüngere SPHERE TIME-Geschmacksmuster gegenüber dem älteren SYMBICORT-Uhrendesign neu ist und beim „informierten Benutzer“ einen anderen Gesamteindruck hinterlässt. Denn nur dann hat das jüngere Geschmacksmuster bestand. Das wurde vom Gericht im Ergebnis verneint, obwohl es im Detail einige Unterschiede zwischen beiden Modellen gab.

Denn das Gericht stellte zunächst den von SPHERE TIME mit dem Geschmacksmuster beanspruchten Schutzumfang fest und verweist hierzu auf die Prüfungsrichtlinien des HABM, nach denen sich

die Wiedergabe eines Geschmacksmuster auf die Schutz beanspruchende Markmale zu beschränken hat, zusätzlich jedoch ohne Schutzanspruch lediglich identifizierende Markmale durch gepunktete Linien dargestellt werden können.

Deshalb stellt das Gericht im Uhrenstreit fest:

Die Großansicht des Geschmacksmusters lässt deutlich erkennen, dass das Befestigungselement des angegriffenen Geschmacksmusters ebenso mit gepunkteten Linien wiedergegeben ist wie die Uhrzeiger und das rechteckige Element auf dem Zifferblatt der Uhr. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das Befestigungselement des angegriffenen Geschmacksmusters, die Uhrzeiger und das rechteckige Element auf dem Zifferblatt der Uhr nicht zu den von dem angegriffenen Geschmacksmuster geschützten Elementen gehören.

Beim Vergleich des Gesamteindrucks beider Uhrendesigns hat das Gericht deshalb die im Geschmacksmuster durch gepunktete Linien dargestellten Gestaltungsmerkmale nicht berücksichtigt. Im Ergebnis wird der Schutzanspruch von SPHERE TIME lediglich für eine runde an einem Schlüsselband befestigte Uhr ohne zusätzliche Gestaltungsmerkmale beansprucht. Diese sehr allgemeinen Gestaltungsmerkmale waren jedoch spätestens seit dem Verkauf des älteren SYMBICORT-Modells bekannt und dem Geschmacksmusterschutz nicht zugänglich. Aus diesem Grunde hob das Gericht den Löschungsbeschluss des HABM nicht auf und wies die Klage zurück.

Fazit: Die vom Anmelder gewählte Darstellung des Geschmacksmusters ist entscheidend für die Schutzfähigkeit des dargestellten Designs und für die Reichweite des Schutzumfangs.
Je allgemeiner die Schutz beanspruchenden Gestaltungsmerkmale gehalten sind, um so großer ist das Risiko der fehlenden Neuheit und späteren Löschung.
Umgekehrt gilt: Je detaillierter die Schutz beanspruchenden Gestaltungsmerkmale dargestellt werden, umso geringer ist das Risiko der fehlenden Neuheit; jedoch verbunden mit dem Nachteil eines geringeren Schutzumfangs. Gegenüber lediglich ähnlichen Erzeugnissen kann dann möglicherweise kein Schutz beansprucht werden.
Zur Vermeidung dieser Nachteile muss ein Design einmal mit allgemein gehaltenen Gestaltungsmerkmalen und ein weiteres Mal mit detailliert dargestellten Gestaltungsmerkmalen als Geschmacksmuster angemeldet werden.

(Quelle: EuGH, Urteil vom 14.6.2011, Az. T-68/10 – an Schlüsselband befestigte Uhr)

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