Von Vagina-Lutschern und Schocker Hands: Die (sittlichen) Grenzen des Designschutzes

16. Juni 2012 | Von | Kategorie: News
links: Anmeldung Marke DE 3020110441855; rechts: Süßware oder Sexspielzeug? – GGM 001834011-0001

links: Anmeldung Marke DE 3020110441855; rechts: Süßware oder Sexspielzeug? – Geschmacksmuster GGM 001834011-0001

Ein Blick in die Neuanmeldungen der Marken- und Geschmacksmusterregister offenbart oft neue Trends, lädt zum Schmunzeln oder Kopfschütteln ein.

So fiel DESIGNSCHSCHUTZnews auch die aktuell veröffentlichte Zurückweisung vom 16. Februar 2012 auf zur Markenameldung der Grafik einer stilisierten Hand mit abgeknicktem Ringfinger und Daumen sowie der Bildunterschrift „The Shocker Hand“. Denn als Zurückweisungsgrund wird angegeben:

„Verstoß gegen öffentliche Ordnung/gute Sitten (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG)“

Angemeldet wurde das Zeichen u.a. für Schmuck, Papierwaren (hierzu gehören auch Aufkleber) und Bekleidung.

Das stachelt die Neugierde an: Was weiß der Sachbearbeiter des DPMA, was wir nicht wissen? Denn der gewöhnlich als Beleidigung gedachte „Stinkefinger“ wird offensichtlich nicht dargestellt. Die Lösung ist dank Wikipedia und Google schnell gefunden: Das Zeichen ist eine aus den USA stammende Geste mit sexueller Nebenbedeutung und das Erkennungszeichen der „Shockers“; dem Sportteam der Wichita State University.

2011 erschien in den USA ein Buch mit dem Titel „The Shocker – Two in the Pink, One in the Stink“. Es beschreibt 365 variierende Legenden über dieses Zeichen mit Übersetzungen wie „Two in the Pink, One in the Stink“ , „two in the goo, one in the poo“ oder „two in the mush one in the tush“.

Offensichtlich erfreut sich das Zeichen seit einiger Zeit auch in der süddeutschen und österreichischen Golf GTI – Szene wachsender Beliebtheit. Entsprechende Aufkleber gibt es bei Amazon.

Relevant ist der im Markenrecht und Geschmacksmusterrecht gleichermaßen vorhandene Schutzverweigerungsgrund des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die gute Sitten allemal. Der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung ist leicht fassbar. Er umfasst Gesetzesverstöße. Deshalb sind beispielsweise staatliche Hoheitszeichen, Staatswappen oder amtliche Prüfzeichen und –stempel nicht eintragungsfähig.

Nicht so eindeutig verhält es sich mit dem Verstoß gegen die guten Sitten. Denn es ist auf das sittliche Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen; und mit dem „Empfinden“ ist es bekanntermaßen nicht so einfach. So wurden in der Vergangenheit Bezeichnungen wie „Busengrapscher“, „Schenkelspreizer“ und „Schlüpferstrürmer“ höchstrichterlich als Sittenverstoß betrachtet. Die neuere Rechtsprechung stellt auf die fortschreitende Liberalisierung der Verkehrskreise ab und hat die Eintragung von Flaschen in Form eines Spermas, des Designs von Vibratoren oder Marken wie „Ficke“ zugelassen.

Ob es Aufgabe des DPMA ist, den Verkehr vor Aufklebern zu schützen, die beim sittenstrengen amerikanischen online-Händer Amazon in verschiedenen Varianten verkauft werden, kann bezweifelt werden. Vielmehr dürfte das Zeichen als Marke nicht schutzfähig sein, weil es aufgrund seiner Verbreitung ein öffentliches Freihaltebedürfnis gibt; und als Muster nicht schutzfähig sein, weil das Design nicht neu ist. Zur Ehrenrettung des DPMA sei darauf hingewiesen, dass als weiterer Zurückweisungsgrund das bestehende Freihaltebedürfnis ebenfalls angegeben wurde.

Welche Blüten das Eintragungskriterium „Verstoß gegen die guten Sitten“ treibt, zeigt ein anderes Beispiel: So wurde im Jahre 2011 vom europäischen Musteramt (HABM) die Eintragung eines Lutschers in Form einer Vagina verweigert. Der Lutscher war in der Anmeldung seiner Bestimmung entsprechend als Süßware klassifiziert worden. Die Lösung lieferte das Amt selbst gleich mit: Umklassifizierung zu „Sexspielzeug“. Nun ist das Design eingetragen; nach dem amtlichen Willen des Sachbearbeiters allerdings in der falschen Klasse. Ein Süßwarenhersteller wird das Muster bei einer Geschmacksmusterrecherche vermutlich nicht finden. Die Recherchierbarkeit ist aber der einzige Zeck der amtlichen Klassifizierung. Für die Recherchierbarkeit wäre das Design des Vagina-Lutschers am besten in beiden Klassen aufgehoben.

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