„Hinter jeder großen Neuerung, steht eine künstlerische, technologische oder menschliche Geschichte – eine Geschichte, die neue Wege eröffnet als Folge von Neugierde, Einsicht und Entschlossenheit des Einzelnen.“, so beginnt das offizielle Statement der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) zum heutigen Welttag des geistigen Eigentums. Dieser wurde von WIPO und UNESCO erstmals im Jahre 2000 ausgerufen und findet jedes Jahr am 26. April statt.
Im Jahre 2012 steht der Tag unter dem Motto „Visionary Innovators„. Umgesetzt wird das Motto auf dem gleichnamigen offiziellen Plakat, dass bedeutendes geistiges Schaffen auf den Gebieten von Technik, Kunst und Design ehrt und von der WIPO wie folgt interpretiert wird:
So waren die Gebrüder Wright fasziniert vom Fliegen und gaben der Entwicklung einer Flugmaschine und späteren Flugreisen den entscheidenden Impuls. Louis Pasteurs Neugierde führte zu Fortschritten in der wissenschaftlichen Krankheitsprävention. Tu Youyous unermüdliche Analyse von pflanzlichen Heilmitteln führte zu einer Malaria-Behandlung, die Millionen Menschen das Leben rettet. Steve Jobs Ehrgeiz, digitale Technik einfach und für jedermann zugänglich zu machen, ließ Personal Computer und – drei Jahrzehnte später – ein neues Paradigma für die Verbreitung von Unterhaltung entstehen.
Die Liste der visionären Erfinder ist lang. Sie stehen für einen Katalog von menschlichem Einfallsreichtum und Kreativität. Sie umfasst die vielen Künstler, Schriftsteller und Musiker, welche die Art, wie wir hören und sehen veränderten: Rembrandt und Turner, Picasso und Kandinsky gestalteten unserer Wahrnehmung von Licht, Form und Gestalt; Tschechow und Tagore, Neruda und Mafouz: ihre Schriften gaben neue Einblicke in die menschliche Erfahrung; Charlie Parker und Miles Davis, Jimi Hendrix und Rostropowitsch – Musiker, die den Status quo herausforderten.
Vor dieser Liste erscheint die aktuelle öffentliche Diskussion in Deutschland um das Urheberrecht kleingeistig. Wer wegen Fehlentwicklungen wie Massenabmahnungen gegen Filesharer, Facebook-Foto- und Stadtplan-Kopierer die Abschaffung des Urheberrechts fordert, geht am eigentlichen Problem vorbei: Die fehlende angemessene Balance von fairer privater Nutzung einerseits und kommerzieller Verwertungsmöglichkeit andererseits. Letztlich sind die beklagten Massenabmahnungen nur Ausdruck der Hilflosigkeit von Rechteinhabers auf das Versagen des Gesetzgebers.
Aus gutem Grund ist in der analogen Welt das nicht gewerbliche Kopieren und Weitergeben von Vervielfältigungsstücken durch das Urheberrecht freigestellt; zum Teil ausgeglichen durch pauschale Geräte- und Kopierabgaben an Verwertungsgesellschaften. Offensichtlich war früheren Gesetzgebern bewusst, dass ein Verbot der privaten Weitergabe von Fotos, Musik und Songtexten dem Rechtsempfinden der Menschen widerspricht und nicht durchsetzbar ist; anders als das kommerzielle Verwerten fremden geistiges Schaffens.
Der US-amerikanische Gesetzgeber war in diesem Punkt wesentlich einfallsreicher als der deutsche und europäische: Er hat die Freistellung des „fair use“, der fairen Nutzung, von der analogen Welt auf das Internet übertragen und damit dem eigenen Land einen Standortvorteil gegeben. Google, Facebook und YouTube bedanken sich bei ihrem Heimat-Gesetzgeber mit üppigen Steuerzahlungen.
Statt das Problem zu lösen, will der deutsche Gesetzgeber infolge der öffentlichen Diskussion nun die Symptome lindern: Durch die Begrenzung der Erstattung von Rechtsverfolgungskosten. Das wird nicht funktionieren. Allein die erstattungsfähigen Gerichtskosten für das Auskunftsersuchen nach der Identität des Internetanschlussinhabers betragen 200 Euro. Solange keine erlaubten fairen Nutzungsmöglichkeiten bestehen, werden die Rechteinhaber weiterhin auf Abschreckung setzen.
Die Widersprüche der aktuellen Rechtslage sind offenkundig: Das aufwendig entwickeltes Grafikdesign ist vor privater Nutzung durch Dritte nicht geschützt. Ein „ins Blaue hinein“ geschossenes Knipsfoto von der privaten Homepage einer Partybekanntschaft in den eigenen Facebooke-Account zu übernehmen, ist dagegen verboten. Denn Grafiken unterliegen dem Geschmacksmusterrecht, das den nicht gewerblichen Bereich freistellt. Das ohne Gestaltungsabsicht entstandene Knipsfoto unterliegt dagegen dem Urheberrecht, das im Internet keine erlaubte private Nutzung vorsieht.
Solange der Gesetzgeber solche Widersprüche nicht beseitigt, wird die Akzeptanz des Urheberrechts weiter sinken; zum Schaden der Kreativen. Der Welttag des geistigen Eigentums sollte Anlass sein, über den eigenen Tellerrand zu schauen und Lösungsmöglichkeiten auch außerhalb des heimatlichen Horizontes zu suchen.
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