Nutella: Irreführende Werbung durch grafische Gestaltung der Nährwerttabelle

17. November 2011 | Von | Kategorie: News
Nutella-Nährwerttabelle; Foto 2011: mimimoma® media

Nutella-Nährwerttabelle; Foto 2011: mimimoma® media

Designrecht aus Sicht des Verbrauchers: Auch inhaltlich richtige und gesetzlich vorgeschriebene Angaben können durch die grafische Gestaltung ihrer Wiedergabe eine unlautere irreführende Werbung im Wettbewerb darstellen.

Das Entschied das OLG Frankfurt am 20. Oktober 2011 an Hand der auf Nutella-Gläsern aufgedruckten Nährwerttabelle. Es verbot die Verwendung der beanstandeten Nährwerttabelle und drohte für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR an.

Was war geschehen?

Geklagt hatte die Verbraucherzentrale. Das OLG Frankfurt stellt wie bereits die Vorinstanz fest, dass die konkrete Gestaltung der Nährwerttabelle beim Durchschnittsverbraucher in der konkreten Kaufsituation den falschen Eindruck erwecke, Nutella enthalte nur wenig Fett und Zucker, jedoch viel Vitamine und Mineralstoffe.

Die Abbildung der Nährwerttabelle aus dem Urteil ist wegen deren schlechter Bildqualität nicht möglich. Die hier abgebildete Tabelle ist jedoch nahezu identisch zu dieser. Lediglich der Begriff „Nährstoffe“ wurde durch „Nährwerte“ ausgetauscht und die Prozentsätze in der Spalte „RDA“ etwas herabgesetzt; z.B. für Vitamin E von 78% auf 65%. Offensichtlich hatte sich der Hersteller von Nutella in seinem Wirrwarr von unterschiedlichen Bezugsgrößen selbst verrannt und die Prozentsätze falsch berechnet. Das war jedoch nicht Gegenstand der Klage.

Inhalt des Vorwurfs war, dass der Verbraucher in der typischen Supermarktsituation fälschlicherweise davon ausgehe, die in der jeweils rechten Spalte angegebenen Prozentzahlen für den abgedeckten Tagesbedarf an Nährstoffen (oben) einerseits und an Vitaminen und Mineralstoffen (unten) andererseits – die für die Nährstoffe eher niedrig und für die Vitamine und Mineralstoffe eher hoch sind – bezögen sich auf dieselbe Grundmenge von „nutella“.

Dass dies nicht der Fall ist, kann der Verbraucher jedoch erst nach einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Tabelle erkennen. Erst dann stellt der Verbraucher fest, die niedrigen GDA-Prozentsätze für Zucker und Fett oben beziehen sich auf eine Nutelle-Menge von 15 g. Die hohen RDA-Prozentsätze für Vitamine und Mineralien unten beziehen sich dagegen auf eine Nutella-Menge von 100 g. Wenn der RDA-Prozentsatz für Vitamin E bezogen auf 15 g umgerechnet wird, ergibt das lediglich 9,75% statt 65% des sogenannten Tagesbedarfs.

Offenbar waren die Richter des Frankfurter Senats persönlich von den Praktiken von Nutella & Co. genervt. Denn im Urteil führen sie aus:

Die dafür erforderliche Zeit und Aufmerksamkeit bringt jedoch der Verbraucher jedenfalls in der typischen Kaufsituation, insbesondere etwa vor dem Verkaufsregal eines Supermarktes, nicht auf. Wie die Mitglieder des erkennenden Senats, die selbst zu den angesprochenen Verkehrskreise gehören, aus eigener Kenntnis und Erfahrung beurteilen können, kann und wird der Verbraucher schon aus Zeitgründen eine eingehende Prüfung von Tabellen der streitgegenständlichen Art, die sich auf praktisch allen in einem Supermarkt angebotenen Lebensmitteln befinden, nicht vornehmen.

Nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG Frankfurt war die der Entscheidung zugrunde liegende Angabe der RDA-Prozentsätze von 78% für Vitamin E und von 30% für Kalium. Entweder die Marketingleute von Nutella gehören zur PISA-geschädigten Schülergeneration und haben Dreisatzrechnungen nicht in der Schule gelernt oder haben in dem von ihnen selbst geschaffenen Wirrwarr an unterschiedlichen Bezugsgrößen selbst den Überblick verloren.

Welche Konsequenzen haben irreführende grafische Gestaltungen für den Grafikdesigner?

Vor dem Hintergrund des Beschlusses des Kammergerichts vom 29. März 2011 (siehe DESIGNSCHUTZnews Ratgeber vom 23.9.2011) kann eine irreführende Gestaltung von Grafiken zur Haftung des Grafikdesigners bzw. seiner Agentur führen. Denn eine Agentur hat bei einem größeren Auftrag für die rechtliche Zulässigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen einzustehen. Das kann sie vermeiden, indem sie die Haftung für die rechtliche Zulässigkeit ihrer Vorschläge vertraglich ausschließt.

(Quelle: OLG Frankfurt, Urteil vom 20.10.2011, Az. 6 U 40/11 – Nutella)

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