LG Berlin: Urheberrechtsverletzung durch ungenehmigte Fotos vom verpackten Reichstag

28. September 2011 | Von | Kategorie: News
Vorbereitung zur Reichstagsverpackung; Foto: dontworry

Vorbereitung zur Reichstagsverpackung; Foto: dontworry

Das ungenehmigte Fotografieren eines Kunstwerkes ist eine Urheberrechtsverletzung durch Vervielfältigen; soweit bekannt. Am 27. September 2011 hatte sich das Landgericht Berlin mit den zahlreichen Ausnahmeregeln von diesem Grundsatz bei einem öffentlich aufgestellten Kunstwerk wie den verpackten Reichstag zu befassen.

Was war geschehen?

Eine Bildagentur war vom bulgarischen Verpackungskünstler Christo verklagt worden. Sie bot in in ihrer online-Datenbank verschiedene Fotos der von Christo und seiner verstorbenen Frau Jeanne-Claude verpackten Gegenstände an; so vom Berliner Reichstag, dem Pariser Pont Neuf und die verpackte letzte Lore im Besucherbergwerk Rammelsberg. Die Fotos waren von verschiedenen Fotografen aufgenommen worden, die der Bildagentur die Verwertung ihrer Fotos übertrugen. Eine Genehmigung zum Fotografieren der Kunstwerke von Christo hatten die Fotografen und die Bildagentur nicht. Christo verlangte Unterlassen und Schadenersatz.

Ausnahmen und Schranken des Urheberrechts

Zu ihrer Verteidigung hat sich die Bildagentur gleich auf eine ganze Reihe von Ausnahmeregeln vom Urheberrecht berufen:

  1. Die nach § 50 UrhG erlaubte Berichterstattung über ein Tagesereignis, in dessen Verlauf das Werk wahrnehmbar werden muss. Das wurde vom Gericht abgelehnt. Denn im Streitfall hat sich die Beklagte Bildagentur schon nicht auf ein konkretes Tagesereignis berufen. Die von ihr erwähnte abstrakte Möglichkeit, dass wegen zukünftiger Ereignisse an den Werken des Klägers erneut öffentliches Interesse entstehen könnte und sie deshalb das Bild material vorhalten dürfe, reicht insoweit nicht aus.
  2. Die nach § 51 UrhG erlaubte Zitatfreiheit. Auch das wurde vom Gericht im Streitfall abgelehnt. Denn die Zitatfreiheit ermöglicht die freie Nutzung für Zwecke, die der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Werken dienen. Vorliegend ist weder behauptet noch zu erkennen, dass die Beklagte ein derartigen Ziel verfolgt.
  3. Auch aus dem Grundrecht der Pressefreiheit (Art 5 Abs. 1 GG) folgt nichts anderes. Im Hinblick auf die grundsätzlich abschließende Regelung, die das Gesetz unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich verbrieften Interessen der Nutzerseite für die aus dem Urheberrecht fließenden Befugnisse und ihre Beschränkungen trifft kommt eine darüber hinausgehende Abwägung, wie sie für das Verhältnis der Online-Berichterstattung und den Schutz des Persönlichkeitsrechts geboten ist, nicht in Betracht.

Nicht vorgetragen, aber auch nicht fernliegend wäre gewesen:

  1. Die nach § 59 UrhG erlaubte Vervielfältigung von Werken an öffentlichen Straßen und Plätzen. Diese Ausnahme gilt jedoch ausdrücklich nur für bleibend an öffentlichen Plätzen befindliche Werke. Die Reichstagsverpackung war dagegen nur eine vorübergehende Installation.

Im Ergebnis wurde die Bildagentur zum Unterlassen verurteilt. Die Entscheidung über die Höhe des Schadenersatzes steht noch aus. Ferner hat die Bildagentur die Verfahrenskosten zu tragen. Diese betragen nach den gesetzlichen Gebühren 5.875,40 EUR zzgl. USt.

Die Reichstagsverpackung war das Sommerevent 1995 und hat maßgeblich zu einem positiven Stimmungsumschwung zu den damals zahlreich begonnenen Großbaustellen in Berlin beigetragen. Bereits 2002 hatte der Bundesgerichtshof zugunsten von Christo und seiner Frau entschieden. Damals hatte ein Verlag ungenehmigt Postkarten vom verpackten Reichstag verkauft.

(LG Berlin, Urteil vom 27.09.2011, Az. 16 O 484/10)

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