EuGH: Produktdesign kann irreführende Werbung sein – Verbraucherzentrale vs. Teekanne

6. Juni 2015 | Von | Kategorie: News
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Produktdesign Teekanne „Waldbeere“, Foto: 2015 mimimoma media

Am 4. Juni 2015 hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) über die Frage zu entscheiden, ob das Produktdesign der Verpackung eines Tees mit der Bezeichnung „Felix Himbeer-Vanille Abenteuer“, der Abbildung von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Angaben „Früchtetee mit natürlichen Aromen“, „Früchteteemischung mit natürlichen Aromen–Himbeer-Vanille- Geschmack“ irreführend sein kann, wenn laut Zutatenliste auf der Rückseite lediglich natürliches Aroma mit Vanillegeschmack und natürliches Aroma mit Himbeergeschmack enthalten ist.

Die kurze Antwort des EuGH: Ja, das Produktdesign kann irreführend sein.

Denn die Etikettierung eines Lebensmittels darf den Verbraucher nicht irreführen, indem sie den Eindruck des Vorhandenseins einer Zutat erweckt, die tatsächlich in dem Erzeugnis nicht vorhanden ist; im entschiedenen Fall also echte Himbeeren und Vanilleschoten statt „natürliche Aromen“.

Als natürliches Aroma wird in der Europäischen Union ein Aromastoff oder ein Gemisch von Aromastoffen definiert, welche mittels physikalischer, enzymatischer oder mikrobiologischer Verfahren aus Ausgangsstoffen pflanzlicher oder tierischer Herkunft gewonnen werden und mit in der Natur vorkommenden Aromastoffen chemisch identisch sind.

In der Praxis werden „natürliche Aromen“ mit Hilfe von Pilzen, Hefen und Bakterien in industiellem Maßstab hergestellt. Vor einiger Zeit war „Ritter Sport“ in die Kritik geraten, weil das in der Schokolade verwendete vanilleartige Aroma Piperonal als natürliches Aroma beworben wurde, nach Auffassung der Verbraucherzentrale jedoch chemisch hergestellt sei. „Ritter Sport“ wehrte sich erfolgreich gegen den Vorwurf und wies nach, dass das verwendete Piperonal „ausschließlich aus botanischen Quellen“ stamme. Der Name Piperonal ist von der erstmaligen Synthese, welche von dem Pfefferinhaltsstoff Piperin ausging. Mit Vanillleschoten hat das als Vanillearoma eingesetzte Piperonal in der Regel nichts zu tun.

In dem akuell vom EuGH entschiedenen Rechtstreit zwischen der Verbraucherzentrale Bundeszentrale und der Firma Teekanne GmbH & Co. KG muss nun das nationale Gericht entscheiden, ob der Durchschnittsverbraucher bei dem beanstandeten Produktdesign trotz rechtlich korrekter Zutatenliste von der Verwendung echter Himbeeren und Vanilleschoten ausgeht und es sich somit um eine unlautere irreführende Werbung handelt oder nicht.

In der Regel entscheiden die Gerichte über Fragen der Irreführung aus eigener Anschauung, wenn die Richter zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen. Den streitenden Parteien steht es jedoch frei, eine wissenschaftlichen Kriterien genügende Verkehsbefragung eines anerkannten Umfrageinstituts bei Gericht einzureichen. Wenn mehr als 20% der Verbraucher von der Verwendung echter Himbeeren und Vanilleschoten ausgehen, dürfte die Annahme einer irreführende Werbung sehr wahrscheinlich sein.

Aktueller Testkauf zur Einsichtfähigkeit von Teekanne

DESIGNSCHUTZnews hat gestern das oben im Artikel abgebildete Produkt „Waldbeere“ von Teekanne gekauft. Auf der Produktverpackung werden Himbeeren, Erdbeeren, Brombeeren und

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Produktdesign Teekanne „Waldbeere“, Foto: 2015 mimimoma media

Heidelbeeren abgebildet. Laut Zutatenliste auf der Rückseite sind der als erstes benannte Hauptbestandteil dagegen Äpfel. Himbeeren werden nicht als Zutat benannt, sondern lediglich Himbeeraroma. Das Produktdesign mag ansprechend sein. Die Zutaten auf der Rückseite werden durch die Abbildung nicht dargestellt.

Abmahnrisiko Produktdesign

Nach der aktuelle Teekanne-Entscheidung des EuGH dürfte das Risiko gestiegen sein, wegen irreführenden Produktdesigns abgemahnt zu werden. Erst am 5. März 2015 hatte das Landgericht Arnsberg (Az: I-8 O 10/15) entschieden, dass die Verwedung eines Produktbildes bei Amazon mit der Abbildung eines Sonnenschirms einschließlich Betonstandplatte irreführend ist, wenn die Betonstandplatte nicht zum Verkaufsangebot gehört. An der Irreführung ändere auch die Artikelbeschreibung nichts, in der nur der Sonnenschirm als Inhalt des Verkaufsangebots angegeben wird. Allein das Anlocken mit irreführenden Produktfotos stelle eine unlautere Werbemaßnahme dar.

Die Kosten einer Abmahnung wegen irreführender Werbung duch die Verbraucherzentrale sind überschaubar. Die Verbraucherzentrale kann bei einer außergerichtlichen Erledigung höchstens 240 € an Kosten berechnen. Neben der Verbraucherzentrale können auch Wettbewerber eine Abmahnung aussprechen. Bei einem üblichen Streitwert von 30.000 € in Fällen der irreführenden Werbung betragen die Abmahnkosten dann 1.141,90 €.

Quelle: EuGH EuGH-Urteil vom 04.06.2015 zum Az.: C-195/14

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